Der Begriff Agilität findet heute sehr viele Ausprägungen und Eigeninterpretationen in jeder Organisation, welche sich mit diesem Thema aus unterschiedlichen Beweggründen befasst.
Und je mehr Interpretationen hierüber im Umlauf sind, desto weniger ist es verwunderlich, dass Dinge schlecht geredet werden, welche nichts hiermit zu tun haben.
Das Gegenteil von Agilität
Um die Frage zu beantworten, was Agilität ist, muss man sich zunächst darüber im klaren werden, was Agilität nicht bedeutet: Agilität bedeutet nicht, schneller zu liefern. Die Enttäuschung hierüber lässt sich in großen Organisationen immer wieder feststellen. Meist, weil die Erwartungshaltung eine andere war und ist, bzw. falsche Erwartungen in die Einführung von agilen Praktiken bewusst oder auf Grund mangelnder Kenntnisse suggeriert wurden.
Agil bedeutet auch nicht, weniger Fehler im Produkt oder eine höhere Qualität. Dies sind sicherlich Nebeneffekte, dürfen aber nicht die Motivation für einen agilen Change-Prozess sein.
Agilität ist auch keine Methodensammlung. Auch wenn geläufige Techniken oder Methoden wie Xtreme Programming, Iterative Software-Entwicklung oder Kanban agilität fördern, und zu den „agilen Methoden“ zählen, können diese aber in einem nicht-agilen Umfeld einer großen Organisation für sich alleine nur sehr geringe lokale Optimierungen auf die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens haben. Bleiben sie mittelfristig auf der Entwicklungsebene isoliert, findet man sich sehr schnell in pseudo-agilen Unternehmen wieder.
Agil zu sein, kann nur ein Ziel verfolgen: Durch häufigere Lieferung von wertschöpfenden Produkten, Features und/oder Wissen wirtschaftlichen Erfolg im Wettbewerb zu haben.
Agilität ist die Qualität einer Organisation, sich reaktiv an sich verändernde Bedingungen anzupassen, kontinuierlich zu lernen und sich als Ganzes weiterzuentwickeln.
Was bedeutet Agilität in der Praxis?
Agilität wird Ihre Organisation nachhaltig verändern. Vorausgesetzt Sie sind bereit, diesen langen und teilweise beschwerlichen Weg zu gehen.
Business Agility wird z.B. lange Prozessketten identifizieren und Sie werden, abhängig von Ihrer Rolle gefordert sein, die Schwachstellen zu identifizieren, an deren Optimierung oder Beseitigung mitzuarbeiten, oder aber die Voraussetzungen und Mittel hierfür bereitzustellen.
Der Abbau von sogenannten Warteschlangen (Queueing Theory), welche die Wertschöpfungskette Ihrer Produkte verlangsamen, ist ebenso ein klar definiertes Ziel von Agilität, wie die Verringerung der Zyklen, z.B. von der Produktidee/Beauftragung bis zur Monetarisierung. Cycle-Times sind eine wertvolle und eine der wenigen echten Messkriterien einer agilen Transition.
Die Fragen, die Agilität immer wieder in Ihrer Organisation aufwerfen wird: Wie können wir einen höheren Wert (Value) bei geringeren Kosten erzeugen? Und was kostet uns ein verspätetes Feedback?
Worauf beruht Agilität?
Ohne im Detail auf die Ursprünge von lean und agile einzugehen, so sind dessen Pfeiler „continous improvement“ und „respect for people“ doch die wichtigste Voraussetzung, welche verantwortungsvolle Führungskräfte verinnerlicht haben und anwenden müssen, wenn eine agile Transition eine Chance haben soll. Sie sind gefordert, wenn es um eine kontinuierliche Weiterentwicklung Ihrer wertvollsten Ressource, der Mitarbeiter, geht. Genauso liegt es in Ihrer Verantwortung, die Kultur für eine beständige Verbesserung der Organisation zu schaffen und beizubehalten:
Die Aufgabe des Managements
Die Aufgabe und Verantwortung des Managements beeinflusst den Erfolg einer erfolgreichen agilen Transition mehr, als jeder andere Faktor. Und doch wird er am häufigsten vernachlässigt.
Jim Highsmith hat die Aufgaben folgendermassen zusammengefasst:
1. Erzeuge für den Kunden etwas von Wert und analysiere, was er eigentlich will
2. Kultiviere engagierte Stakeholder
3. Wende einen Führungsstil der Zusammenarbeit an
4. Baue kompetente und gemeinschaftliche Teams auf
5. Ermögliche Team-Entscheidungen
6. Nutze kurze (timeboxed) Iterationen um Features zügig auszuliefern
7. Ermutige zur Anpassungsfähigkeit
8. Sei ein verfechter technischer Exzellenz
9. Fokussiere auf Auslieferungsaktivitäten, mehr als auf process-compliance Aktivitäten
Fazit
Der Umgang mit Agilität und dessen Einführung in grossen Organisationen wird leider zu oft zu leichtfertig angegangen, ohne dass sich die Verantwortlichen über deren Auswirkung und Ziele bewusst sind.
Dies führt zu oberflächlichen Implementierungen von Pseudo-Scrum Artefakten in der Entwicklung, in der Führungskräfte Zeit und Scope diktieren, ohne in den Dialog über organisatorische Veränderungen und hohe Produktqualität einzutreten.
Es ist der Anfang vom Ende vieler teurer – und speziell für die involvierten Teams frustrierenden – agilen Fehlschlägen.
Die Vergeudung von Zeit und Ressourcen durch die falsche Interpretation von Agilität kann aber verhindert werden, wenn der Fokus von Beginn an auf der Business-Perspektive liegt und mit lean- und agiler Methodik umgesetzt wird.
Wer eine agile Transition als Führungskraft erfolgreich unterstützen will, muss die Prinzipien der agilen Software-Entwicklung verinnerlicht haben und konsequent einsetzen.